Mehr Sicherheit für Biker: Notfallsanitäter geben Tipps für mehr Sicherheit

Spätestens im April beginnt die Saison für alle Motorradfans. Rund 26.000 Biker sind dabei jährlich in Unfälle verwickelt und für fast 500 von Ihnen endet die Ausfahrt tödlich. Die Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen des DRK-Rettungsdienst Rheinhessen-Nahe werden vor allem in der kommenden Zeit auch zu solchen Verkehrsunfällen alarmiert. Sie geben hilfreiche Tipps, wie Unfälle mit Motorradfahrern reduziert werden können und erläutern, was bei einem Unfall zu tun ist.
Lisan Selmikeit ist Notfallsanitäterin auf der DRK-Rettungswache Worms und fährt selbst leidenschaftlich gerne Motorrad. Ihren Bikerkollegen rät sie vor allem zu Saisonbeginn: “Die typischen Unfälle passieren durch Unachtsamkeit, Fehleinschätzungen oder schlicht, weil man sich nach der Winterpause erst wieder an das Motorrad gewöhnen muss. Deshalb ist es wichtig, sich auf die Motorradsaison vorzubereiten und es langsam angehen zu lassen. Auch Autofahrerinnen und Autofahrer sollten sich bewusstmachen, dass ab jetzt mehr Motorradfahrer unterwegs sind und auf diese acht geben.”
Für die Notfallsanitäterin sind besonders folgende Punkte wichtig:
Motorrad gründlich checken lassen
“Nach der Winterpause ist ein gründlicher Check der Maschine unerlässlich. Reifen, Bremsanlage, Beleuchtung, Kette und Ölstand müssen vor der ersten Fahrt unbedingt überprüft werden – im Zweifel in der Fachwerkstatt.”
Vorsichtig in die Saison starten
“Über den Winter geht die Routine oft verloren. Gewöhne dich langsam wieder ans Motorrad. Nutze eine ruhige Strecke für die ersten Kilometer und übe gezielt das Bremsen, Ausweichen und Kurvenfahren – am besten auf einem Verkehrsübungsplatz oder bei einem Fahrsicherheitstraining. Zudem sollten alle Verkehrsteilnehmer regelmäßig einen Erste-Hilfe Kurs besuchen. Dies schafft Sicherheit im Notfall und kann Leben retten. Einen Rotkreuzkurs kannst du ganz einfach beim Roten Kreuz in deiner Region buchen. Das lohnt sich auf jeden Fall.”
Niemals ohne Schutzkleidung
“Auch bei Sonnenschein und kurzen Strecken gilt: Nur vollständige Schutzkleidung schützt bei einem Sturz effektiv. Ein guter Helm, Motorradjacke und -hose mit Protektoren gehören in jedem Fall dazu, Handschuhe und feste Stiefel sind Pflicht. Helle oder reflektierende Kleidung erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit. Wir erleben bei Einsätzen immer wieder, dass die robuste Schutzkleidung Schlimmeres verhindert hat oder dass Biker aufgrund fehlender Schutzausstattung schwere Verletzungen davontragen.”
Vorausschauend und defensiv fahren
“Viele Autofahrer haben sich über den Winter an einen motorradfreien Straßenverkehr gewöhnt. Rechne daher mit übersehen werden, plötzlichen Spurwechseln oder Vorfahrtsverletzungen. Halte ausreichend Abstand, fahre mit erhöhter Aufmerksamkeit und verzichte im Zweifel auf dein Vorfahrtsrecht. Fahre außerdem am besten immer mit Licht und nutze trage auffällige oder reflektierende Kleidung.”
Richtige Sitzposition und Haltung
“Eine entspannte, aber aufmerksame Sitzposition verbessert Kontrolle und Reaktionszeit. Arme leicht angewinkelt, Blick vorausschauend über den Verkehr, nicht direkt auf die Straße vor dem Vorderrad. Gute Körperhaltung hilft, schnell und präzise reagieren zu können. Genau wie beim Auto gilt auch beim Motorrad: Finger weg vom Handy. Hier ist das Risiko noch deutlich größer, abgelenkt zu sein oder einen Sturz zu riskieren.” appelliert die Notfallsanitäterin.
Ihr Kollege Christopher Lorenz ist als Notfallsanitäter auf der DRK-Rettungswache Alzey tätig und fährt regelmäßig Motorrad. Er hat bei seinen Tipps auch die Autofahrer im Blick: “Im Rettungsdienst erleben wir nicht selten, dass Motorradunfälle auch dadurch passieren, dass Autofahrer einen Motorradfahrer übersehen. Viele Fahrer unterschätzen, wie schwer Biker zu erkennen sind – besonders beim Abbiegen oder Spurwechsel. Deshalb immer doppelt hinschauen, Schulterblick nicht vergessen und vor allem genügend Abstand halten. Schon ein kleiner Auffahrunfall kann für einen Motorradfahrer lebensgefährlich sein. Was viele Autofahrer nicht immer bedenken ist, dass Bikerinnen und Biker auch Familienväter, Freunde und Kollegen sind. Bei einem Unfall sind immer Menschen betroffen und nicht nur anonyme Motorradfans in Lederkluft.”
Kommt es trotz aller Vorsicht doch zu einem Unfall, ist es wichtig schnell Erste-Hilfe zu leisten. Gerade Motorradfahrende können sich schwer verletzen. Christopher Lorenz erläutert drei wichtige Erste-Hilfe-Maßnahmen, die Leben retten können:
Erste-Hilfe Tipps für Motorradfahrer
Blutungen schnell stoppen
Fast jede Blutung aus einer Wunde lässt sich durch genügend starken Druck von außen auf die Blutungsquelle zum Stillstand bringen. Unter Umständen müssen Sie auch in eine Wunde hineindrücken; hierzu verwenden Sie möglichst keimarmes Material, wie Mullkompressen, geöffnete Verbandpäckchen. Bei Erwachsenen bedeutet ein Verlust von ca. 1 Liter Blut bereits Lebensgefahr. Die Blutstillung ist daher grundsätzlich möglichst schnell durchzuführen, um einen größeren Blutverlust zu vermeiden.
Helm abnehmen
“Bei einem bewusstlosen Motorradfahrer ist das Abnehmen des Helmes notwendig. Nur ohne Helm kann man den Verletzten in die stabile Seitenlage bringen, um die Atemwege freizuhalten oder eine Beatmung durchzuführen. Ist der Betroffene bei Bewusstsein, so kann er den Helm vorsichtig selbst abnehmen.”
Bewusstlose in Stabile Seitenlage bringen
“Das Anatmen von Fremdkörpern in die Atemwege ist eine Gefahr bei fehlenden Schutzreflexen. Schutzreflexe bewirken den unwillkürlichen Husten beim Verschlucken. Mit zunehmender Bewusstlosigkeit verschwinden diese Reflexe, sodass Speisereste im Mundraum, Mageninhalt beim Erbrechen, Blut bei Mundblutungen oder Nasenbluten in die Atemwege gelangen können, und nicht von dort weggehustet werden. Die stabile Seitenlage stellt sicher, dass die Atemwege frei bleiben und Erbrochenes, Blut usw. abfließen können – der Mund des betroffenen Menschen wird zum tiefsten Punkt. Dies verhindert das Ersticken.” weiß der erfahrene Notfallsanitäter.
Christopher Lorenz und Lisan Selmikeit sind sich in einem Punkt sicher mit allen Bikern und Autofahrern einig: “Wir möchten, dass alle Verkehrsteilnehmer immer wieder gesund zu Hause ankommen. Deshalb achtet aufeinander und passt auf euch auf – und wenn es doch mal unsere Hilfe braucht, sind wir immer einsatzbereit unter Notruf 112.”
Quellen der Unfallstatistik: Statistisches Bundesamt, 2023